Stand: 21.06.2022
1 | Ausgangslage
Das Tempelhofer Feld und das ehemalige Flughafengebäude sind seit geraumer Zeit ein umstrittener Ort voller visionärer Potentiale:
In den 20er Jahren als Weltflughafen top-down geplant, entsteht hier
100 Jahre später bottom-up ein Experimentierfeld zur kollektiven Bearbeitung der Herausforderungen unserer Zeit.
Die ehemaligen Flugzeughangars dienen heute bereits als stadträumliche Ressource während akuter Krisen, zuletzt als Corona-Impfzentrum oder Ankunftszentrum für Geflüchtete. Solche Situationen können sich jederzeit wiederholen und sollten im Sinne einer resilienten Stadtentwicklung an diesem Ort kurzfristig räumlich programmierbar bleiben. Aus der Bearbeitung dieser Krisen entstehende Impulse wollen wir aufgreifen und für die weitere Entwicklung produktiv machen.
Die Hangars 2 und 3 befanden sich in einer privaten Zwischennutzung für eine selbsternannte Kunsthalle Berlin und sind Ende Mai 2022 wieder freigeworden.
Sie stellen für die prozesshafte Bearbeitung gesamtgesellschaftlicher Themen einen idealen Ausgangsort dar. Hier soll sich konkret und produktiv ein gesellschaftliches Reallabor mit den Entwicklungsfragen eines riesigen Gebäudekomplexes verbinden. Für beide Handlungsfelder sollen weitergehende Fragen und praxisnahe Antworten in einem kooperativen Prozess erarbeitet werden.
Ausgehend von der temporären Inbetriebnahme dieser Hangars soll ein kooperativer Prozess im Sinne eines Public Civic/Common Partnership für den gesamten Gebäudekomplex etabliert werden. In Anlehnung an das Modellprojekt Haus der Statistik soll eine kreativ-konstruktive Kooperation auf Augenhöhe von Zivilgesellschaft und dem Land Berlin entstehen, geprägt von gemeinsamer Verantwortung und gemeinsam formulierten Leitbildern, die auch europäische sowie globale Entwicklungsziele im Blick behalten, wie die Leipzig-Charta und die Sustainable Development Goals. Dabei werden wichtige Ziele der "Vision 2030+" für das Flughafengebäude im Sinne einer partizipativen Bürgerbeteiligung und aktiven Mitwirkung eingelöst.
2 | Phasenplan
- 1. Phase ab Juli 2022, Startphase:
Inhaltliche Ebene:
• Konkretisierung des Konzepts des Transformationsbündnis
• Erarbeitung eines Kooperationsvertrags des Bündnis‘ mit den möglichen städtischen Kooperationspartnern (sinnfällige Partner: SenSBW, SenKUlt, SenUVK, SenASoz, Tempelhof Projekt GmbH)
• Erarbeitung eines transparenten Vergabeprozess mit einvernehmlichen Kriterien
• Bildung eines Vergabegremiums
• Open Call / Ausschreibung + Vergabe
Technische Ebene:
• Evaluierung der technischen Voraussetzungen und Herausforderungen (Brandschutz, Denkmalschutz)
• Planung/Verträge/Genehmigungsprozess
• Erschließung technischer Medien und zentraler Infrastruktur (Wasser, Strom)
• Schrittweise Inbetriebnahme mit sinnfälliger Übernahme der dortigen Ausstellungsarchitektur
- 2. Phase ab 2023, Aufbauphase:
Etablierung von Strukturen und Nutzungen, die eine Grundlage für zukünftige Nutzungen und die programmatische Ausrichtung im Quartier bilden im Sinne eines Public/Common Civic Partnerships.
- 3. Phase ab 2024, Konsolidierung:
Ausgehend von den Hangars 2/3 können auch andere Orte im Gebäudekomplex erschlossen werden, sofern dies räumlich und programmatisch sinnvoll ist. Die Startphase gilt als abgeschlossen, der kooperative Prozess einer Public Civic Partnership ist etabliert und aktiver Teil der weiteren kontinuierlichen Entwicklung des Gebäudekomplexes THF.
3 | Gremien
Um eine faire und transparente Vergabe zu ermöglichen, wird das Transformationsbündnis beauftragt ein Gremium im Dialog zu entwickeln und zu gründen, welches sich der inhaltlichen Arbeit an Vergabekriterien für den Transformationsort und später auch der Programmierung und Aktivierung dieser Flächen im Dialog mit den Nutzer*innen in beratender Funktion annimmt, basierend auf dem ausgearbeiteten und abgestimmten Konzept des Transformationsbündnis.
Durch eine Konstellation aus Vertreter*innen der Shareholder, Vertreter*innen Berliner Institutionen und Personen aus der Zivilgesellschaft aus den Bereichen Kunst/Kultur, Nachhaltigkeitsökonomien, Umwelt, Bildung und Soziales soll das Gremium beschluss- und handlungsfähig sein und einen “lernenden Charakter” haben, mit dem Ziel dieses Public Civic Partnership als konstruktiven Lernprozess für alle Beteiligten in die DNA des Gebäudes und die weiteren Entwicklungen schrittweise zu implementieren.
4 | Vergabekriterien
Hier ein erster Vorschlag für Vergabekriterien, orientiert an den Pioniernutzungen am Haus der Statistik: Die weitere Entwicklung und inhaltliche Schärfung von Vergabekriterien soll im Rahmen der Ausdifferenzierung des Konzepts und im Dialog mit dem neu zu gründenden Gremium (Stake-und Shareholder) und unter breiter Mitwirkung der Stadtgesellschaft erfolgen.
1. NACHHALTIGKEIT
Nutzungen zielen auf ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit, entsprechend der globalen Nachhaltigkeitsziele der UN- und der Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt.
2. DIVERSITÄT & RELEVANZ
Nutzungen bilden das gesamte Spektrum der von dem Bündnis formulierten Konzeptskizze ab. Die Diversität der Nutzungen erprobt und stärkt die Interaktionen verschiedener Nutzer*innen und bildet die Vielfalt der Stadtgesellschaft ab. Die Nutzungen arbeiten an den gesellschaftlichen Herausforderungen und schaffen einen Resonanzraum für die Fragen der Zukunft.
→ Kriterium: Nutzungen bilden das gesamte Spektrum des formulierten Programms ab.
3. MEHRWERT
Nutzungen können einen nachhaltigen (nicht monetären) Mehrwert für das Quartier und den umliegenden nachbarschaftlichen Kontext erwirken. Unabhängig von Dauer und Umfang können sie materielle oder ideelle Spuren hinterlassen, die zur zirkulären Weiternutzung durch Folgeprojekte beitragen können (beispielsweise Expertise, Netzwerke, Materialien oder Infrastruktur).
→ Kriterium: Nutzungen hinterlassen materielle & ideelle Spuren.
4. GEMEINWOHLORIENTIERUNG
Nutzungen entsprechen der Gesamtvision eines gemeinschaftlichen Quartiers, das durch Nutzungssynergien und kooperative Entwicklung geprägt ist. Räume, Ausstattung, Arbeitskraft und Gemeinschaftsflächen können durch gemeinsam gestaltete Organisationsformen geteilt und miteinander genutzt werden.
→ Kriterium: Die inhaltliche Ausrichtung der Nutzungen soll gemeinwohlorientiert sein.
5. AKTIVIERUNG
Nutzungen tragen zur Aktivierung und Sichtbarkeit des Quartiers schon während der Sanierung und Bauphase bei. Sie können einen publikumsorientierten Charakter haben und so ein Anziehungspunkt der Stadtgesellschaft werden.
→ Kriterium: Nutzungen haben ein aktivierendes Moment.
6. KONTEXT
Nutzungen verknüpfen das Quartier räumlich und programmatisch mit der umliegenden Nachbarschaft, der Stadtgesellschaft und dem Feld. Durch ihre inhaltliche Schwerpunktsetzung referenzieren Nutzungen auch auf Projekte aus dem gesamtstädtischen oder internationalen Kontext kooperativer Stadtentwicklung.
→ Kriterium: Nutzungen nehmen Bezug auf die räumliche Umgebung.
7. MISCHUNG VON ETABLIERTEN & NEWCOMER:INNEN
Nutzer*innen bilden eine programmatische Diversität ab, darüber hinaus unterscheiden sie sich auch in ihrer Expertise, Finanzkraft, Rechtsform und Sichtbarkeit, um ein breites Spektrum an Akteuren sowie ein gemeinsames Voneinander-Lernen zu ermöglichen.
→ Kriterium: Nutzungen bilden eine Diversität von Nutzer*innen ab.
8. KOOPERATION
Nutzungen sind offen für mögliche Kooperationen und Synergien mit anderen Nutzungen. Während der Nutzung gemachte Erfahrungen fließen als lernender Prozess in die fortlaufende Entwicklung von Organisations- und Kommunikationsstrukturen der Nutzer*innen und der Gesamtentwicklung ein.
→ Kriterium: Nutzungen sind bereit Räume und Ressourcen zu teilen.
9. MACHBARKEIT
Nutzungen müssen sich selber tragen und handlungsfähig sein. Zudem können sie Wachstumspotentiale mit sich bringen um den Gesamtprozess unterstützen zu können. → Kriterium: Nutzungen müssen sich selber tragen und handlungsfähig sein.
4 | Finanzierung
Das grundsätzliche Wirtschaftlichkeitsmodell der Nutzung strebt eine Kostendeckung aller aufkommenden warmen Betriebskosten, Versicherungen, Kosten für Instandhaltung und Koordination, Öffentlichkeitsarbeit, etc an.
Im Sinne einer kooperativen Entwicklung des Gesamtgebäudes synchron zur Vision 2030+, ergänzt mit den Zielen des Transformationsbündnis, versteht sich der Ort als Bauhütte der Zukunft, im Sinne eines inhärenten, die Zivilgesellschaft beteiligenden kooperativen Bausteins der Gesamtentwicklung, und nicht als klassischer Mieter.
Eine Basisfinanzierung der Aktivitäten des übergeordneten Programms und der Koordination könnte im Rahmen unterschiedlicher Haushaltsmittel, z.B. derer für Urbane Praxis, aus BEK Mitteln (Berliner Energie und Klimatopf), sowie Entwicklungsbudgets von THF, erfolgen.